Im 19. Jahrhundert setzte sich eine Idee durch, die das Selbstverständnis des Menschen grundlegend veränderte: Die gemeinsame Abstammung aller Lebewesen und die damit begründete Verwandtschaft des Menschen nicht nur zu anderen Säugern, sondern zu allen Tieren. Das stellte seine Alleinstellung und seinen Status als Krone der Schöpfung mindestens in Frage, erschien den einen schlicht beleidigend, den anderen gar als gotteslästerlich.
Gut hundert Jahre später mussten wir dann erleben, dass unsere Genetik, der bis dahin geheime Code unserer Existenz, auf den die Wissenschaft große Stücke gesetzt hatte, bei seiner Kartierung auch keine Besonderheit zeigte, und nicht wesentlich komplexer war, als der eines Fadenwurms. Das tut weh.
Allerdings nur, solange man seine Besonderheit in der Abgrenzung sucht. Man kann auch anders an die Sache herangehen und sich der Gewitztheit der Evolution erfreuen, die offensichtlich das immer Gleiche oder doch mindestens Ähnliche in so unterschiedlichen Gewändern hervorbringt.
Alle (fr)essen was anderes – und verstoffwechseln es zu Ähnlichem
Und man kann, wie die Jaminets, aus den offensichtlichen Gemeinsamkeiten Regeln ableiten, die die Unterschiede in den Hintergrund rücken und gleichzeitig hervorheben. Und paradoxerweise zeigen diese Regeln, dass der Mensch sich im Hinblick auf Ernährung durchaus als Besonderheit begreifen kann.
Denn Säugetiere zerfallen diesbezüglich in drei Gruppen: Pflanzenfresser, Fleischfresser, Allesfresser, zu letzteren zählt der Mensch. Diese Unterscheidung betrifft die Versorgung mit Nahrung, am Ende zeigt sich, dass die Verstoffwechslung im Körper – bezogen auf die Nährstoffe – wieder auf das Gleiche hinausläuft. Bei allen Säugetieren gibt es eine ähnliche Nährstoffzusammensetzung: rund 10 Prozent Kohlenhydrate, 20 Prozent Proteine und der Rest in Fett, mehrheitlich als gesättigte und einfach ungesättigte Fettsäuren – die Kuh zum Beispiel verstoffwechselt Gras zu Fett, ähnlich wie der Gorilla, beide sind Pflanzenfresser (auch wenn sie mitgelieferte Insekten nicht verschmähen), aber die Prozesse sind unterschiedlich.
Bekommt allerdings der Pflanzenfresser keine (oder die falschen) Pflanzen oder der Fleischfresser kein Fleisch, haben sie ein Problem, ihr Verdauungstrakt kann nichts anderes. Bekommt der Allesfresser vorübergehend das eine oder andere nicht, kann sein Körper mehr oder weniger lange den jeweiligen Mangel (weitgehend) ausgleichen, Verdauung, Stoffwechsel, Speichervorgänge können sich mindestens teilweise den Gegebenheiten anpassen. Das gibt dem Allesfresser einen Überlebensvorteil, der ihn durchaus zu etwas Besonderem macht.
Der Mensch, immer gleich unterschiedlich
Damit ist vielleicht erklärt, warum sowohl Veganer wie Carnivoren, Fructarier wie Makrobiotiker, low carb lebende Menschen wie Rohköstler mit Überzeugung und häufig entsprechender Inbrunst ihre Ernährungsweise als die einzig gesunde feiern können, schließlich geht es ihnen in aller Regel tatsächlich erst einmal besser, wenn sie von der heute üblichen westlichen Standardernährung umstellen. Nicht selten steckt dahinter vermutlich vor allem der Entfall der giftigsten Nahrungssorten: industriell entstellte – ganz gleich, ob es sich um krankgefüttertes Vieh oder um Zucker‑, Aromen- und Konservierungsstoff-übersättigtes Fast-Food mit Pflanzenfetten handelt.
Im selben Augenblick, wo solche industriellen Erzeugnisse (wieder) dazu kommen (also zum Beispiel in Form von Nahrungsmittelimitaten wie Fleischersatz aus Soja oder Lupinen oder glutenfreies Brot aus Mais oder Sojamehl), wird dieser positive Effekt das erste Mal gefährdet. Langfristig zeigt sich bei einer einseitigen Ernährung, mag sie zunächst noch so gut angeschlagen haben, oft der Mangel an den richtigen Mikronährstoffen – häufig übersetzt der Körper diesen Mangel in Heißhunger nach Lebensmitteln, die ihn ausgleichen könnten.
Denn eines ändert sich nicht: der Nährstoffbedarf – der beim Menschen etwas Besonderes ist…
Feine Unterschiede
Wir sind wie alle anderen Tiere, aber eben doch nicht: Wir brauchen (zu Lasten des Fettanteils) ein paar Kohlenhydrate mehr, weil unser großes und hyperaktives Hirn ständig Energie verbraucht. Deswegen kommt die PHD auf 25–30 Prozent Kohlenhydratbedarf. Bekommt das Gehirn die nicht kann es weitgehend mit Ketonen statt mit Zucker arbeiten, zum Beispiel beim Fasten oder weil sich jemand dauerhaft ketogen ernährt (bzw. aus gesundheitlichen Gründen ernähren muss, mehr dazu finden Sie in PHD auf Seite 210, und, auf Englisch, auf der Website der Jaminets). Ketone, die der Körper aus kurz- und mittelkettigen gesättigten Fetten mit einer geraden Zahl C‑Atome herstellen kann, werden sogar deutlich effizienter verstoffwechselt als Zucker. Und unser Körper kann den Zuckeranteil, den er auf jeden Fall braucht (z.B. auch für die Augen und die roten Blutkörperchen), im Körper herstellen lassen. Der Mensch ist also von Natur aus metabolisch besonders (!) flexibel, vor allem, wo sein Gehirn betroffen ist. Der Verlust dieser Flexibilität, zum Beispiel bei einer Ernährung mit über 50% schnell verstoffwechselbaren Zuckern, macht krank. Eine Ernährungsumstellung zur PHD kann die Mängel ausgleichen und die Flexibilität wiederherstellen.
Wer sein Hirn gleich jetzt noch mehr Energie verbrauchen lassen will, dem seien dazu die Seiten 84ff im Buch empfohlen.