Ich werde häufig von Menschen, die sich (bisher) vegetarisch oder gar vegan ernähren, gefragt, ob es nicht eine entsprechende Variante der PHD gäbe. Die Antwort dazu findet sich als „Warnhinweis“ schon auf dem Buchumschlag: „Cave: Für Vegetarier nur bedingt geeignet.“ Im Buch selbst werden Veganer nur auf Seite 121 erwähnt und nur im Zusammenhang mit Proteinmangel.
Nun wird das den einen oder anderen Veganer empören, schließlich gibt es jede Menge Proteine in Pflanzen. Pflanzenproteine haben jedoch zum einen eine im Sinne der menschlichen Ernährung weniger ausgewogene Zusammensetzung von Aminosäuren, viele Pflanzenproteine sind für den Menschen zudem Entzündungsquellen: Soja und andere Hülsenfrüchte oder pasteurisierte Milch nennen die Jaminets neben anderen Beispielen.
Leucin zum Beispiel, einer der wesentlichen Bausteine des Muskelaufbaus, muss in einer Mahlzeit mit mindestens drei Gramm enthalten sein, damit es seine Wirkung entfalten kann, fehlt es, oder ist es in zu geringen Mengen enthalten, ist das Eiweiß bestenfalls Brenn- und nicht Baustoff. Drei Gramm Leucin sind normalerweise in 20 Gramm tierischem Protein (und die wiederum in ungefähr 100 Gramm Fleisch) enthalten, in der Regel jedoch in viel geringerer Menge in Pflanzenprotein. Es müssen also deutlich größere Mengen als Pflanzenprotein aufgenommen werden, um dasselbe Ergebnis zu erzielen – und das heißt im Klartext: Gemüse und/oder Hülsenfrüchte in Mengen, die kaum einer essen könnte. Aber auch Carnitin (das der Körper nur in winzigen Mengen selbst herstellen kann), Taurin, Kreatin und Carnosin (ein Mangel begünstigt unter anderem eine schnellere Hautalterung…) sind Proteine, die in tierischem Eiweiß in höheren Mengen vertreten sind, als in Pflanzen.
Es gibt eine ganze Reihe Anhaltspunkte, die vermuten lassen, dass Menschen in aller Regel tierisches Protein während ihrer (und für ihre) Evolution gebraucht haben und weiter brauchen. Eine Ernährung ohne tierisches Eiweiß hat darüber hinaus weitere Nachteile, denn in – gesunden – Tieren finden wir jede Menge für den Menschen wichtige Mikronährstoffe und essentielle Fette, darunter Omega 3 in Form von DHA und EPA, das – außer in Algen – in Pflanzen nicht zu finden ist.
Eine kurze Mängelliste
Die Liste der potenziellen Nährstoffmängel bei einer Ernährung, die frei von (oder sehr arm an) tierischem Eiweiß ist, reicht jedoch weit über das Protein und Omega3 hinaus: Vitamin A, D, K2, die wesentlichen fettlöslichen Vitamine, einige B‑Vitamine, am bekanntesten Vitamin B12, das nur in tierischen Lebensmitteln, vor allem in Leber, enthalten ist (10 Gramm Rinderleber reichen, um den Tagesbedarf eines Erwachsenen an Vitamin B12 zu decken). Weniger bekannt ist der Cholin-Bedarf, der ohne Fleisch nur schwer gedeckt werden kann, das gilt vor allem für den deutlich höheren Bedarf Schwangerer.
Die Entwicklung individueller Mängel ist im Übrigen genau das: individuell und unterscheidet sich je nach Alter, Geschlecht und sonstiger Ernährung, sie kann schnell Folgen zeitigen oder erst nach vielen Jahren.
Nehmen wir uns beispielhaft einen in diesem Zusammenhang eher selten genannten Mikro-Nährstoff, Zink. Zinkmangel hat gravierende negative Auswirkungen, schon auf die frühkindliche Entwicklung und auch später im Leben, unter anderem auf das Immunsystem – allerdings kann es Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis die Folgen sichtbar werden. 100 Gramm Leber enthalten etwa 3,5 mg Zink, 100 Gramm Brot weniger als 1 mg, 100 Gramm Gemüse nur etwa ein halbes mg. Die Jaminets gehen davon aus, dass der tägliche Zinkbedarf mindestens 15 Milligramm beträgt (S. 424), eine Menge, die man bei konsequenter Ernährung nach PHD bekommt.
Kann man doch alles ausgleichen?
Häufig wird auf diese Hinweise eingewandt, das könne man ja schließlich alles ausgleichen, zum Beispiel durch Supplemente. Aber Supplemente sind eben keine vollwertige Nahrung.
Auch hier ein Beispiel: „Mehr Mohrrüben“ ist eine nicht so seltene Antwort auf die Frage nach Vitamin A. Ja, Beta-Karotin, wie es unter anderem in Karotten enthalten ist, ist eine Vorstufe von Retinol (Vitamin A) – aber: Damit die Verstoffwechslung von Beta-Karotin zu Retinol funktionieren kann, müssen diese Mohrrüben mit genügend Fett verzehrt werden (also nicht an der Möhre nibbeln, sondern in gesundem Fett dünsten oder backen). Andererseits erhöhen große Mengen nicht verstoffwechselten Beta-Karotins den oxidativen Stress und stimulieren die Produktion von Enzymen, die vorhandenes Retinol (Vitamin A) abbauen, was den Mangel sogar noch verschärfen kann. Das Ausgleichen ist also nicht so einfach.
Fleisch in Maßen, nicht in Massen

Die PHD übersetzt ja die alte Weisheit „Die Dosis macht das Gift“ sehr differenziert in die Gesundheitskurve (S. 118 PHD) – insofern ist sie auch keine rein „carnivore“ Ernährungsweise (letztere hat derzeit in den USA plötzlich Konjunktur, wohl auch als Gegenbewegung auf den veganen Trend). Sie empfiehlt zwischen 200 und 600 Gramm tierische Lebensmittel am Tag, abhängig von Alter (Kinder brauchen eher weniger, alte Leute eher mehr), Trainingsverhalten, Gesundheit etc. Und sie verweist darauf, dass einem schon der Geschmackssinn eine Rückmeldung über den Proteinbedarf gibt (nicht umsonst werden viele vegane Nahrungsmittel bezüglich Bezeichnung, Aussehen und Geschmack „auf Fleisch“ getrimmt, sie sind damit jedoch nichts anderes als gesundheitsschädliche Industrienahrung).
Niemand braucht „xxl-Schnitzel“ oder andere Fleisch-Exzesse, im Gegenteil, solche Mengen liegen eindeutig rechts der optimalen Aufnahmemenge, die dabei entstehenden Abfallprodukte (unter anderem Ammoniak) sind toxisch. Es gilt jedoch zugleich auch hier: wer zu weit links von der Gesundheitskurve isst, oder sogar ganz auf tierisches Eiweiß verzichtet, der riskiert auf Dauer die oben beschriebenen Mängel, eine vegane PHD gibt es entsprechend nicht.
Eine ovo-/lacto- oder gar pesco-vegetarische PHD ist für Menschen, die sich gut mit der Nährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln auskennen, durchaus vorstellbar, bei dieser Form des Vegetarismus handelt es sich jedoch letztlich um eine omnivore Ernährung mit Einschränkungen.