September, der Herbst naht. Der Jahresurlaub ist vorbei, es geht zurück in die Tretmühle. Schon auf der Rückfahrt lauern 300 Staukilometer, die hinreichend Zeit geben, uns auf die 300 unbearbeiteten E‑Mails vorzubereiten, die zuhause warten (wenn sie nicht schon während des ganzen Urlaubs gestresst haben, schließlich haben wir uns nicht getraut, das Smartphone zuhause zu lassen, auch wenn das smarter gewesen wäre).
Kein Stress – nirgends?
Die Perfect Health Diet müsste eigentlich Perfect Health Lifestyle heißen. Das wäre zwar schlechter auszusprechen, tatsächlich finden Sie in dem Buch jedoch einen ganzen Strauß an Empfehlungen zum Lebensstil, die oft mit der Ernährung zu tun haben („Wann essen?“ ist so eine Frage aus dem Grenzgebiet), aber eben weit darüber hinausgehen: Zirkadiane Rhythmen im Allgemeinen und Schlaf im Besonderen, die Rolle von Licht, Bewegung oder positiven Sozialkontakten, all das werden Sie im hinteren Teil der Perfect Health Diet finden – nur einer fehlt, obwohl er als Gesundheitsschädiger doch in aller Munde ist: der Stress.
Das Wort ist im ganzen Buch nur in Nebensätzen zu finden, zum Beispiel wenn es um oxidativen Stress geht, also eher um physiologische als um psychologische Zusammenhänge (auch wenn das eine künstliche Trennung ist). Haben die Jaminets den Stress verpennt?
Stress – Ursache oder Folge von Krankheit?
Natürlich nicht. Irgendwann, so Paul Jaminet kürzlich in einem Gespräch, wolle er noch ein ganzes Buch über Stress schreiben, es sei für ihn bisher nicht geklärt, ob Stress wirklich die Gesundheit beeinträchtige, oder ob nicht eine beeinträchtigte Gesundheit die Ursache chronischen Stresses sei. „The jury is still out“, war sein Kommentar, auf Deutsch: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Schon 2011 hat er auf seiner Webseite skizzenhaft eigene Überlegungen angestellt und Andere zitiert, die sich kritisch mit den gängigen Ursache-Wirkung-Vorstellungen zum Stress auseinandersetzen, darunter auch das Buch von Andrew Bernstein „The myth of stress“ („Mythos Stress“). Er zitiert ihn wörtlich: „So etwas wie einen „Stressor“ gibt es nicht. Nichts hat die ihm innewohnende Macht, Stress in jemandem zu verursachen. Dinge geschehen (Scheidungen, Entlassungen, Krankheiten etc.), und Sie erleben Stress – oder eben nicht, abhängig davon, was Sie über diese Dinge denken. Stress ist eine Funktion von Glaubenssätzen, nicht von äußeren Umständen.“ Jaminet nimmt auch Kressers Empfehlung auf, Stress mit Freude zu bekämpfen (oder, um es auf die Physiologie zu transferieren, dem Sympathikus den Parasympathikus entgegenzusetzen), was sich wiederum deckt mit den auch im Buch zu findenden Empfehlungen, Freundschaften zu pflegen, um die Gesundheit zu verbessern.
Dass er Stress für ein echtes Problem hält, macht Jaminet klar, wenn er eine große schwedische Studie zitiert, die die Korrelation zwischen mäßig starkem chronischen (psychischen) Stress und erhöhter Inzidenz von dauerhafter Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat.
Es bleibt für Jaminet aber ein Henne-Ei-Problem, sein – bis heute vorläufiges – Fazit: „Ich neige zu der Ansicht, dass chronischer Stress ein Symptom einer darunter liegenden körperlichen Krankheit ist“, und dass „Krankheit und Infektionen Stress selbst bei den resilientesten und einsichtigsten Personen erzeugen können“.
Kein Stress!
Eine Krankheitsursache ist Fehlernährung. Da die Medizin schon länger weiß, dass ein schwacher Fettstoffwechsel auch die Stress-Resilienz schwächen kann, schließt sich hier der Kreis zu den Empfehlungen der Perfect Health Diet, die die Hälfte aller Kalorien aus hochwertigem Fett empfiehlt.
Sollten Sie also den Urlaub genutzt haben, um mal wieder in guten Fetten von Butter bis Olivenöl und von Sahne bis Gänseschmalz zu schwelgen, machen Sie sich deswegen mal keinen Stress: Schon bekommen die 500 Kilometer ohne Stau und die eine E‑Mail mit der Freude des Chefs über Ihre Rückkehr ein ganz anderes Gewicht.
Und wenn Sie auch den anderen Ratschlägen der PHD folgen, macht sich dieses Gewicht noch nicht mal auf der Waage bemerkbar!